Page 8 - Vorrang Menschlichkeit 3-2020
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8  FOKUSTHEMA SICHERHEIT


          Inwiefern beeinflusst die Wohnortwahl in       gungssicherheit, auch wenn die Lebenshaltungs-
          den unterschiedlichen Lebensphasen die         kosten höher sind. Man geht davon aus, dass hier
          Bedarfsplanung?                                soziale Infrastruktur  auch  in  Zukunft  ausrei-
          „Jeder Mensch will sich im Anlassfall versorgt   chend vorhanden und damit auch für einen selbst
          wissen. Deshalb ist zu vermuten, dass es unter   zugänglich sein wird. Man vertraut tendenziell
          den Personen, die die meiste Zeit am Land woh-  da rauf, dass das Angebot an den Bedarf recht-
          nen, auch solche gibt, die sich durch einen wei-  zeitig genug angepasst wird – wie auch immer
          teren Wohnsitz in Wien zu diesem Zweck eine    das  funktioniert.  In  ländlichen Regionen  hin-
          ‚städtische Hintertür‘ offenhalten. Auch der   gegen kann oft die soziale und infrastrukturelle
          Wunsch nach einem Leben in den eigenen vier    Sicherheit – zumindest was diese Vielfalt betrifft
          Wänden bis zuletzt wird sich nicht für alle erfül-  – nicht gewährleistet werden. Doch gerade die
          len (lassen). In Hinblick auf die objektive Versor-  Entleerungsprozesse im ländlichen Raum, die eine
          gungssicherheit scheint der stationäre Bereich   Bedarfskonzentrierung in der Stadt bewirken,
          für alleinlebende Pflegebedürftige ohne Rund-  stellen die Städte Österreichs vor eine massive
          um-die-Uhr-Verfügbarkeit von An- und Zuge-     Kostenbelastung und damit auch Herausforde-
          hörigen vielfach besser geeignet zu sein. Dies   rungen in der Versorgungsplanung.“
          beantwortet aber noch nicht die Frage nach der
          subjektiven Lebensqualität.“                   Was bedeutet (Un-)Sicherheit in der
                                                         COVID-19-Krise?
          Welche Wohnumgebung bietet die größte          „Am Anfang der Pandemie waren viele Men-
          Sicherheit im Hinblick auf Versorgungs-        schen verängstigt und haben deshalb kaum ihr
          sicherheit?                                    Zuhause verlassen. Doch mit der Zeit hat man
          „Aus heutiger Sicht größere Städte. Sie verleihen   sich daran gewöhnt und sicherer gefühlt, was
          einem das Gefühl der infrastrukturellen Versor-  zu Nachlässigkeit geführt hat. Plötzlich keim-

          Frauen Halt



          im Leben geben




          Das Beschäftigungsprojekt Visitas widmet sich der Integration
          arbeitsloser Frauen ins Erwerbsleben und bietet dabei ein fixes
          Dienstverhältnis mit klaren Rahmenbedingungen und einem
          regelmäßigen Gehalt – das schafft Vertrauen und gibt Sicherheit.

          Vielen Frauen wird im Rahmen des Projektes nach langer Zeit zum
          ersten Mal wieder Vertrauen geschenkt, was gerade im Besuchs-
          dienst oder in der Alltagsbetreuung wesentlich ist. Gekoppelt
          mit umfangreichen Einschulungen zum Umgang mit KlientIn-
          nen, regelmäßigen Möglichkeiten zu Erfahrungsaustausch und
          Reflexion sowie klaren Dienstanweisungen und Informationen
          über KlientInnen entsteht ein engmaschiges Sicherheitsnetz, das
          Zweifel an den eigenen Fähigkeiten beseitigt.

          „Der Verlust von Vertrauen ist das, was Sicherheit nimmt“, sagt
          Swantje Meyer-Lange, Bereichsleiterin der Visitas. Ihr Team
          und sie fördern deshalb eine selbstständige Arbeitsweise, indem
          sie den Projekteilnehmerinnen von Beginn an Verantwortung
          übertragen, ohne die Frauen damit allein zu lassen.
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